Jeder
von uns Dreien hat einen eigenen familiären und kulturellen Hintergrund, der das
persönliche Verhältnis zum Radfahren bestimmt. Ob im heißen persischen Kerman, im provinziellen Oldenburgischen Ofen oder im spießigen Bremen-Blumenthal aufgewachsen, allen gemeinsam ist aber
wohl, dass sich irgendwann in unserem Leben das Fahrrad vom Spielzeug zum
Fortbewegungsmittel entwickelt hat und mit den damit verbundenen Möglichkeiten
enorm zur Persönlichkeitsentwicklung beitrug und so wie wir es nutzen, noch beiträgt.
Stellvertretend für uns, hier meine Geschichte:
Stellvertretend für uns, hier meine Geschichte:
Als ich Kind war, betete ich abends zu Gott, er möge mir ein rotes Fahrrad mit Stützrädern schenken. Irgendwann kapierte ich, dass Gott so nicht arbeitet.
Mein
Vater brachte dann auf dem Heimweg ein ziemlich ramponiertes
Kinderfahrrad mit, über dessen Zustand ich meine Enttäuschung nur schlecht
verbergen konnte.
Nun
waren meine Eltern als Mitglieder der Angriffskriegsgeneration und den damit für uns Kindern verbundenen katastrophalen ökonomischen Folgen darin sehr
geübt, alten Sachen durch einige Kunstgriffe wieder den Anschein des Neuen zu
geben, zumindest in den Augen eines 5 jährigen Jungen.
Eine
kleine Dose knallroten Lacks, einige Tropfen Öl und die in der Waschküche von
meiner Mutter geschrubbten weißen Ballonreifen ließen vor meinen Augen ein
akzeptables Fahrrad entstehen. Die zusätzliche Montage einer Klingel von einem
Erwachsenenfahrrad überzeugte mich vollständig. Sie stammte wohl noch aus dem 1. Weltkriegsfundus meines Großvaters und so verrostet wie sie war, konnte ich ihr mit meinen kleinen Fingern keinen Ton entlocken. Aber egal, schon in diesem Alter war Design eben alles
Seitdem
ich das fahrbereite Fahrrad mit der Aufgeregtheit des Abenteurers zum
Pappelplatz und zu den anderen Kindern schob, hielt ich mich statt an Gott an
meinen Vater.
Weshalb
wir keine langen Hosen beim Radfahren lernen anziehen durften, habe ich erst
später begriffen. Die den ganzen Nachmittag mehr oder minder geglückten
Versuche des Radfahrens wurden nur durch die medizinische Versorgung der
Schürfwunden an Knien und Ellbogen mit schnödem Pflaster ohne Aufdrucke von
Dinos oder Elfen unterbrochen. Bei der Anzahl von Stürzen hätten wir dutzende
langer Hosen durchgearbeitet und Ressourcen waren damals noch knapp. Irgendwann
trauten wir uns nicht mehr nach Hause, aus Furcht, dass uns unsere Mütter
angesichts der diversen Hautabschürfungen nicht mehr losfahren ließen. Nur das
aufkommende Hungergefühl unterbrach dann das Radfahren und wurde
mit verdünntem Rhabarbersaft und dick mit Margarine und Zucker belegten
Weißbrotscheiben gestillt.
So
vollgepumpt mit Energie lernte ich mit dem enorm motivierenden Ziel der
Schmerzvermeidung innerhalb weniger Tage ohne Stützräder, Helm und Protektoren
Rad fahren.
Irgendwann
zog auch bei uns der Zweitaktverbrennungsmotor ein. Mein Bruder hatte
sich eine Kreidler mit verchromtem Tank zugelegt und schenkte mir großzügig
sein mit Nabenputzern, zweifarbigen Plastikspiralen umwickelten Bremszügen und
einer am Gepäckträger befestigten Stange mit Wimpel (Werder?) aufgepuschtes
Fahrrad. Aber das Beste daran war der nach oben gedrehte Rennlenker, der es so
wohltuend von den spießigen Erwachsenenrädern abhob und dem Fahrrad eine
ausgesprochene Lässigkeit gab. Solche infantilen Adjektive wie geil oder voll cool
waren noch unbekannt, würden aber die Wirkung des Rades auf mich aus heutiger
Sicht treffend beschreiben. Ich fand es einfach nur klasse.
Mein
Körper und dieses Fahrrad durchliefen dann eine gemeinsame Metamorphose.
Mit zunehmender Haarlänge und Körpergröße wurde die Sattelstütze höher
gestellt, die peinliche Wimpelstange irgendwann demontiert, der Rennlenker wieder in
seine ursprüngliche Position gebracht und neben der neuen Torpedo-Dreigangnabe
wurde ein VDO Tacho mit Welle und Mitnehmer in das Vorderrad eingebaut.
Mit
dieser technischen Veränderung unterstützte dann das Fahrrad meinen zunehmenden
Drang nach Autonomie und diente nicht länger nur der Bewältigung des 5 km
langen Schulweges zum Gymnasium nach Vegesack.
Die
erste ernstzunehmende Radtour verlief mit der evangelischen Jungenschar vom Zeltlager auf Fehmarn nach Bad
Segeberg zu den Karl-May-Festspielen und wenn ich heute die wenigen vorhandenen
schwarzweiß Fotos betrachte, ist mir immer noch nicht ganz klar, wie ich als
schmächtiger 12jähriger diesen Berg an gewichtigem Gepäck, den Steppdeckenschlafsack eingerollt in eine gummierte Luftmatratze, die hundert
Kilometer bewältigen konnte.
So
wurde das Fahrrad vor dem Moped zu einem wichtigen Utensil, der häuslichen Enge
zu entfliehen und den Horizont zu erweitern. Ziele und Strecken wurden größer
und mit ihnen die Freude aber auch die Hürden, die zu nehmen waren. Gegenwind,
Wolkenbrüche, Konditionsschwächen aber auch Durchhaltevermögen und Gruppendynamik.
Im Nachhinein betrachtet lernte ich damals etwas Grundlegendes, dass nämlich in Wirklichkeit der Wille das Ziel zu erreichen erst den Weg bestimmt und nicht umgekehrt, wie es dann später auf vielen esoterischen Kalenderblättern zu lesen war. Nur der Aufbruch schafft den Weg, aber als Radfahrer weiß ich natürlich, dass, wenn man erst einmal in die Pedalen gestiegen ist, der Weg eine entscheidende Rolle spielt. Insofern ist es wohl so, wie bei der Henne und dem Ei.
Mit dem Erwerb des Mopedführerscheins Klasse 4 und eines weißen 50kubik Zündapprollers war das Fahrrad nicht mehr angesagt. Später kam das Auto und mit ihm noch weiter entfernte Urlaubsziele. Mit dem R4 durch ganz Europa. Aus heutiger Sicht fast so anstrengend wie mit einem modernen Fahrrad. Das Fahrrad verlor als Fortbewegungsmittel seine Funktion und wurde ein rostiges Gefährt in den Kellern der Wohngemeinschaften oder der elterlichen Garage.
Im Nachhinein betrachtet lernte ich damals etwas Grundlegendes, dass nämlich in Wirklichkeit der Wille das Ziel zu erreichen erst den Weg bestimmt und nicht umgekehrt, wie es dann später auf vielen esoterischen Kalenderblättern zu lesen war. Nur der Aufbruch schafft den Weg, aber als Radfahrer weiß ich natürlich, dass, wenn man erst einmal in die Pedalen gestiegen ist, der Weg eine entscheidende Rolle spielt. Insofern ist es wohl so, wie bei der Henne und dem Ei.
Mit dem Erwerb des Mopedführerscheins Klasse 4 und eines weißen 50kubik Zündapprollers war das Fahrrad nicht mehr angesagt. Später kam das Auto und mit ihm noch weiter entfernte Urlaubsziele. Mit dem R4 durch ganz Europa. Aus heutiger Sicht fast so anstrengend wie mit einem modernen Fahrrad. Das Fahrrad verlor als Fortbewegungsmittel seine Funktion und wurde ein rostiges Gefährt in den Kellern der Wohngemeinschaften oder der elterlichen Garage.
50
Jahre später hat das Fahrrad das mit Imageproblemen kämpfende Auto als
Statussymbol um Längen überholt. Der Wert jedes einzelnen unserer heutigen Räder
übersteigt auch Dank der kriminellen Energie des VW/Audi-Vorstandes den Wert
zumindest meines alten AUDI Diesels EURO4 um etliche hundert Euro.
Unsere
Räder müssen jetzt zwar auch alle 5.000 km zum Ölwechsel der 14 Gang
Rholoffnabe, haben eine USB-Schnittstelle, Riemenantrieb statt Kette und statt Landkarte eine Satellitennavigation und
reparieren kann man es auch nicht mehr selbst. Dafür kommen wir aber auch
zukünftig in die letzte Ecke jeder mit Feinstaub und Stickoxiden belasteten
Großstadt und können sogar noch ausreichend tanken.🍺🍺🍺🍺
Nur, wo du zu Fuß, mit dem Kajak oder dem Fahrrad warst........,
na gut, vielleicht noch mit dem Moped, dem R4, der Ente oder dem
Bulli........... da warst du wirklich.






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